Wo Einsiedlerkrebse übers Pult krabbeln

Tierwelt 18 2022

Tierwelt Reportage Ausgabe 18/22 – Einen Blick hinter die Kulissen des tierischen Fachgeschäfts. Autorin: MURIEL WILLI

Sogar aus dem Wallis reisen Kunden ins Berner Seeland in die Zoohandlung Roco. Denn hier sind neben
Katzenbetten und Meerschweinchenfutter auch Zwerg-Krallenfrösche und Teddyhamster im Angebot.

Auf dem Parkplatz der Zoohandlung Roco in Lyss BE türmen sich frühmorgens schon die Kartonkisten. Ein Lieferant ist vor Ladenöffnung um 8.30 Uhr dabei, die bestellten Produkteaus seinem Laster auszuladen und vor dem Wareneingang zu deponieren. Indes geht es auch im Inneren des dreistöckigen Ladens bereits geschäftig zu und her.
Ganz am hinteren Ende des Erdgeschosses, in einem L-förmigen Raum mit zahlreichen Nagergehegen und Vogelvolieren, ist Ajyana Kaufmann beschäftigt. Die gut gelaunte Tiernärrin ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Detailhandelsfachfrau Fachrichtung Zoohandel und heute für die Nager- und Vogelabteilung zuständig. Und das gibt einiges zu tun.

Degus, Farbmäuse, Goldhamster, Wellensittiche, Zebrafinken und noch etliche weitere Nager und Vögel
warten auf frisches Futter und Wasser. Zudem müssen die Gehege regelmässig ausgemistet werden. «Heute stehen die beiden obersten Reihen der Vogelkäfige und die Grossvoliere auf dem Putzplan», erklärt Ajyana Kaufmann.

Tierwelt Reportage Ausgabe 18/22



Ratten füttern und Rennmäuse registrieren

Die Vögel dürfen während dem Ausmisten jeweils frei im Raum herumfliegen und die Zwerghasen rumhoppeln. Bei den Meerschweinchen geht das nicht, weil sie ihr Geschäft überall verrichten, und bei den kleineren Nagern ist es zu riskant, da sie sich irgendwo verkriechen könnten, wo sie dann nicht mehr herauszukriegen sind. Während die Farbmäuse schon eifrig umherwusseln und die Wellensittiche sich lautstark bemerkbar machen, ist im grossen Gehege mittendrin noch nicht viel los. Fünf Ratten kuscheln sich hier dicht an dicht in ihrem Hängebettchen. Sie werden im Zoo Roco umsorgt, während ihre Besitzer in den Sommerferien weilen.

Bevor es ans Ausmisten geht, warten noch vier Mongolische Rennmäuse, die soeben angeliefert wurden, darauf, einquartiert zu werden. Dazu muss die Lernende das Geschlecht der kleinen Mäuse bestimmen, damit nicht Männchen und Weibchen gemeinsam in ein Terrarium kommen und für Nachwuchs sorgen. Die angehende Zoofachhändlerin nimmt ein Mäuschen nach dem anderen aus der Transportbox und legt es erst in einen durchsichtigen Becher. Zur Beruhigung, erklärt Ajyana Kaufmann. «Sind die Rennmäuse gestresst, beissen sie und das kann ganz schön schmerzhaft sein.» Wenn sie kleine Nager oder auch Vögel in die Hand nehme, müsse sie gut auf die richtige Grifftechnik achten. Man dürfe nicht zu fest zudrücken, müsse die Tiere aber dennoch gut festhalten. Nachdem die jungen Mäuse ihr temporäres Zuhause bezogen haben, wird dieses beschriftet. Das Alter der Tiere, ihre Farbe, das Geschlecht und das Ankunftsdatum sind säuberlich an der Aussenwand des Terrariums notiert.

Es ist nicht das einzige Mal, dass die Daten der Neuankömmlinge aufgenommen werden, erklärt Geschäftsleiterin Therese Schumacher. Für die Tierbestandeskontrolle müssten nur die Papageien und Kaninchen in einer Datenbank registriert werden. Im Zoo Roco würde jedoch von sämtlichen Verkaufstieren festhalten, wann sie bei ihnen angekommen seien, von welchem Züchter sie stammen und wann genau sie an wen weiterverkauft würden. Das erlaube die Rückverfolgbarkeit von Krankheiten. Es sind jeweils Jungtiere, die mehrheitlich von Privatzüchtern an das Zoofachgeschäft im Berner Seeland geliefert werden. Die Degus stammen sogar aus der hauseigenen Zucht. Die Gehege im Zoo Roco sind nur eine vorübergehende Heimat.

Doch wie lange bleiben die Tiere jeweils hier, bis sie gekauft werden? «Das ist ganz unterschiedlich, oft sind sie nur etwa eine Woche bei uns, manchmal aber auch drei Monate», gibt Therese Schumacher Auskunft. Beim Zwergkaninchen, das ebenfalls anfangs  Morgen angeliefert wurde und sich nun etwas verschreckt, ob all der neuen Eindrücke in eine Ecke seines Geheges kauert, geht es indes ganz schnell. Seine neue Besitzerin wird bereits am Nachmittag vorbeikommen, um das hellbraune Häschen abzuholen. «Als wir einmal einen Hamster hatten, der einfach niemandem ins Auge stechen wollte, und der nach Monaten noch kein neues Zuhause gefunden hatte, postete ich einen Beitrag über den süssen Kerl auf den Sozialen Medien. Sie glauben es nicht, nach wenigen Stunden sind seine neuen Besitzer in den Laden spaziert», schmunzelt die Geschäftsführerin.

Tierwelt Reportage Ausgabe 18/22

Beratung fürs Tierwohl

Dass die Besitzerin vom Zoo Roco ganz viel Herzblut nicht nur für die von ihr vermittelten Tiere, sondern auch für das von ihr gegründete Geschäft und das achtköpfige Team mitbringt, ist schnell ersichtlich. 1988 eröffnete die gelernte Zoofachhändlerin, die sich auch als Ausbildungsexpertin engagiert, die Zoofachhandlung mit Vollsortiment im Zentrum von Lyss. Seit November 2012 befindet sich das Geschäft in einem dreistöckigen Industriegebäude, um das herum momentan ein neues Wohnquartier heranwächst. Der Kritik, es sei in Zoohandlungen nicht gut bestellt um das Wohl der Verkaufstiere, begegnet Therese Schumacher differenziert. Eine Pauschalisierung, dass Züchter gut zu ihren Tieren schauen, Zoofachgeschäfte aber nicht, finde sie ungerechtfertigt. Die Gehege seien bei ihnen grosszügig und artgerecht eingerichtet, denn schliesslich möchte man für die Kunden ein Vorbild sein. Für sie sei es selbstverständlich, sich bei den zukünftigen Tierbesitzern abzusichern, dass im neuen Heim die Haltungsbedingungen optimal seien. Und die neuen Tierhalter würden jeweils ausführlich über die richtige Pflege der Tiere informiert. Auf eine kompetente Beratung lege sie sowieso äusserst grossen Wert. Dass darin die Stärke vom Zoo Roco liegt, beweist ein entsprechendes Zertifikat vom Schweizer Tierschutz. 

Die ausgelernte Zoofachhändlerin Jaqueline Blösch tritt im Untergeschoss, in der Aquaristik- und Terraristikabteilung den Beweis dafür an, wie fachkundig die Beratung im Zoo Roco ist. Während sie die Zierfische, Minigarnelen und Wasserschnecken füttert, deren Gesundheitszustand überprüft und Wasser in die Aquarien nachfüllt, erklärt sie: «Das Tierwohl ist uns sehr wichtig, deshalb legen wir viel Wert darauf, die Kunden aufzuklären was für Ansprüche die Tiere an die Aquarienbepflanzung, die Wasserhärte oder -Temperatur haben und mit welchen anderen Wasserbewohnern sie dementsprechend zusammengehalten werden können.

Die junge Frau bringt viel Begeisterung für ihren Job und ein enormes Fachwissen mit, denn auch privat befasst sie sich mit Zierfischen. Dass sich Jaqueline Blösch hauptsächlich um die Aquarien und Terrarien kümmert, kommt nicht von ungefähr. Als sie eine Schnupperlehre für ihren Traumjob als Tierpflegerin absolvierte, wurde schnell klar, dass ihre Tierhaarallergie im Wege stehen würde. Im Zoo Roco hat sie die optimale Lösung gefunden. «Die Abwechslung zwischen Tierpflege, Büroarbeit und Kundenkontakt gefällt mir gut, ein reiner Bürojob wäre nichts für mich.»
Etwa die Hälfte ihrer Kunden seien Familien, die sich neu ein Aquarium zulegen und die andere Hälfte bestünde aus Personen, die langjährige Erfahrung in der Aquaristik mitbrächten und ganz bestimmte Artikel oder Tiere suchten.

Tierwelt Reportage Ausgabe 18/22

Ein solches Liebhabertier liegt in einem Plastikbehälter auf dem Schreibtisch von Mirjam von Dach im Eingangsbereich des Ladens. «Der Einsiedlerkrebs wurde bereits vor fünf Monaten von einem Kunden bestellt, jetzt endlich ist er vom deutschen Händler geliefert worden. Wenn ich den Herrn benachrichtige, dass er das Krabbeltier abholen kann, macht der bestimmt Freudensprünge», ist sich die gelernte Kommunikationsfachfrau und Polygrafin sicher. Im Zoo Roco ist sie für die Betreuung des Online-Shops, Flyeraktionen und diverse administrative Arbeiten zuständig. Dabei behilflich ist ihr Can Luca Kugland, der hier sein kaufmännisches Praktikum absolviert. Zwischen telefonischen Kundenanfragen und Bestellungen auf englisch und französisch, kassiert er bei einem Paar in Begleitung von Hunden die ausgewählten Leinen und Leckerli ein.

Päcklistation und Vogelauffangstation

Die Hundeaccesoires hätten eigentlich auch via Onlineshop bestellt werden können. Sogar die Kratzbäume, Kleintiergehege und Aquarien, die sich im weitläufigen Ausstellungsraum befinden, werden per Post versandt. Auch Mehlwürmer, Wüstenheuschrecken oder Steppengrillen, die als Futtertiere verkauft werden, können via Onlineshop erworben werden. «Nur wirbellose Tiere dürfen jedoch auf postalischem Weg transportiert werden, alle anderen Tiere nicht», weiss Therese Schumacher. Das Bereitstellen und Verpacken der Ware für den Onlineversand nimmt am Nachmittag neben dem Auffüllen der Regale und der Kundenberatungen die meiste Zeit ein. Etwas fünfzig Prozent der verkauften Waren würden via Onlineshop bezogen die andere Hälfte im Laden. Der Onlinehandel sei gerade während der Coronazeit sehr wichtig gewesen, er habe aber nicht nur Vorteile, findet die Geschäftsführerin. «Gravierend ist, dass viele Kunden für die Beratung zu uns ins Geschäft kommen, die Ware dann aber direkt im Ausland bestellen.»

Tierfreunden möchten Therese Schumacher und ihr Team mehr als nur ein Kauferlebnis bieten. Draussen vor der Zoohandlung tummeln sich tagsüber Landschildkröten in einem abwechslungsreichen Auslauf und Spatzen scharen sich an der Vogelfutterstelle. Auch Artikel für Gartentiere wie Igel, Hühner oder Eichhörnchen stehen im Sortiment. Vom Vogelfutter ist die Zoohandlung selber eine grosse Abnehmerin. «Rund 25 Kilogramm Futter picken sie uns jede Woche weg», lacht die Geschäftsleiterin. Dabei möchte sie gerne noch viel mehr Vögel vor ihrem Lokal. Ihr Traum wäre entlang der gesamten Fassade eine riesige Voliere einzurichten. Nicht unbedingt mit Verkaufstieren, sondern eher als eine Art Auffangstation. «Es hapert allerdings an der Finanzierung, vielleicht starten wir bald ein Crowdfunding.» Bis zur Einrichtung der Aussenvoliere gehen dem Zoo-Roco-Team die Arbeit und auch die Ideen keinesfalls aus.

Autor: Therese Schumacher

Geschäftsführerin Zoo Roco / eidg. Dipl. Detailhandelskaufmann / Tierpflegerausweis / Erwachsenenbildnerin / Prüfungsexpertin im Zoofachhandel und Mastertrainerin / Autorin von Schulunterlagen/ Präsidentin Verband Zoologischer Fachgeschäfte der Schweiz / Hobby Fotografie-Reisen.ch Zoo Roco Team:/ Thesi IST der Zoo Roco in menschlicher Gestalt. Seit über 30 Jahren führt sie erfolgreich dieses Fachgeschäft und tut dies mit einer so grossen Leidenschaft, dass es seinesgleichen sucht. Thesi ist unser Superhirn, weil sie über jede Bestellung und jeden Artikel genausten Bescheid weiss - es gibt selten eine Frage, für die Thesi nicht eine Antwort bereit hat - und falls ein solcher Fall vorliegt, zögert sie nicht, ihr riesiges Netzwerk anzuzapfen um an fundierte Antworten zu kommen. Egal also welches Anliegen Sie haben - mit Thesi sind Sie bei der richtigen Person.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert